Die Gubiner Museumskammer im historischen Gubener Stadtmuseum am Dicken Turm erfreut sich gerade an schönen Herbsttagen eines vielfältigen Zuspruchs geschichtlich interessierter Gubener und Gäste der Doppelstadt. Ein dortiger Besuch lohnt sich einmal mehr, da die ehrenamtlichen Mitarbeiter des Gubiner Heimatvereins auch die „Schlüsselgewalt“ über den Dicken Turm innehaben.
Mit ihrer kleinen, aber ständig wachsenden Sammlung treten sie in große Fußstapfen, denn das 1913 im selben Gebäude eröffnete Gubener Stadtmuseum hatte neben den reichhaltigen lokalen Ausstellungsstücken auch solche von nationaler und internationaler Bedeutung zu bieten. Erinnert sei nur an einen Uniformrock Kaiser Wilhelm I. oder ein wertvolles Geschenk des Reichstagsabgeordneten und Landrates Prinz Heinrich von Schoenaich-Carolath, der dem Museum eine Totenmaske Napoleons überlassen hatte.
Vor dem Eingangsportal indes schaut mancher Besucher etwas fragend auf die rechts davon leer stehende Nische. Der Anblick eines kleinen Beckens mit zwei Wasserspeiern auf einem Sockel, lässt vermuten, dass sich an dieser Stelle einst ein Brunnen befand. Und tatsächlich – nur wenige Monate nach der feierlichen Einweihung des Museums Anfang Februar 1913 wurde an dieser Stelle ein künstlerisch gestalteter Brunnen installiert. Fortan trug er die Bezeichnung „Fischmännchenbrunnen“ da er ein lebensfrohes Kind als Bronzefigur darstellte, das in beiden Händen je einen Wasser speienden Fisch empor hielt.
Der Tuchfabrikant und spätere Ehrenbürger Adolf Wolf hatte diese Skulptur, wie schon zuvor das Museum, der Stadt Guben zum Geschenk gemacht. Karl Gander nennt in seinem „Führer durch Guben und Umgebung“ (S. 30) den jungen Münchener Bildhauer Rudolf Henn als Schöpfer dieses Kunstwerkes. Weiteres war bislang in der Neißestadt über den Künstler nicht bekannt, daher seien hier einige biographische Notizen angeführt, die ich Herrn Rudolf Hill aus Olsbrücken verdanke.
Rudolf Henn wurde am 1. Juli 1880 in der Nähe von Kaiserslautern als Sohn eines Müllers in der Neumühle bei Olsbrücken geboren. Bereits in der Volksschule erkannten die Lehrer seine künstlerische Begabung, die er später als Student der Akademie der Bildenden Künste in München vervollkommnete. Zahlreiche Belobigungen sowie ein Stipendium, das er im Jahre 1906 erhielt, bezeugen eine große künstlerische Kreativität, die nach Ausdruck suchte. Ein Jahr später begleitete er als Bildhauer eine ethnographische Expedition nach Niederländisch-Ostindien. Dabei modellierte er Eingeborene für deutsche Museen.
Nach der Rückkehr von dieser Reise eröffnete er 1908 in München seine erste Werkstatt, die er dort bis zum Beginn des ersten Weltkrieges, der seine künstlerische Entwicklung unterbrach, erfolgreich führte. In dieser Zeit entstand auch der Gubener „Fischmännchenbrunnen“ oder das „Brunnenbuberl“, wie es in der Zeitschrift „Kunst und Handwerk“ von 1908/1909 genannt wurde. Von dieser Bronzefigur gab es mehrere Abgüsse. Auf der X. Internationalen Kunstausstellung in München 1909 wurde ein Exemplar an einen unbekannten Liebhaber verkauft. Drei Jahre später erwarb Fürst Yousouppoff aus St. Petersburg auf der Großen Berliner Kunstausstellung ein weiteres Exemplar für seine privaten Sammlungen. Einen weiteren Abguss soll eine noch lebende Tochter des Künstlers besitzen.
Anfang September 1913 schließlich wurde der Gubener „Fischmännchenbrunnen“ am Museum eingeweiht. Die „Gubener Zeitung“ würdigte die Arbeit von Rudolf Henn mit folgenden Worten: „Auch dieses sein jüngstes Werk, das den Vergleich mit den besten Darstellungen des kindlichen Körpers nicht zu scheuen braucht, zeigt von neuem seine hohe künstlerische Begabung und ein den Stoff in vollendeter Meisterschaft beherrschendes Können. … Wie die Nürnberger ihr „Gänsemännchen“, so werden die Gubener das neue „Fischmännchen“ lieb gewinnen und es mit zu den heimatlichen Wahrzeichen zählen, die man dem Fremden zeigt und auf die man mit Recht stolz ist.“
Doch zurück zum Werdegang des Künstlers, der 1915 als Soldat eingezogen und zwei Jahre später verwundet wurde. Nach dem Krieg verlegte er seine Werkstatt nach Kaiserslautern, wo er 1920 auch heiratete. Aus der Ehe gingen zwei Töchter hervor. Als Ende der 1920er Jahre die Weltwirtschaftskrise Deutschland erschütterte, wanderte Rudolf Henn 1929 in die USA aus, wohin ihm seine Familie im Jahr darauf folgte. Dort lebten sie in New York, wo der Künstler für mehrere Firmen zahlreiche kleinere und größere Kunstwerke schuf und nach einem arbeitsreichen Leben Anfang Juli 1955 verstarb.
Das Gubener Fischmännchen indes ist seit dem 2. Weltkrieg verschollen. Die Frage, ob es, wie z. B. auch Gubener Kirchenglocken, für Rüstungszwecke requiriert oder nach dem Kriege ein Opfer des Mangels an Buntmetall wurde, vermag ich nicht zu beantworten. |